Test des tiex Tinnitus Therapiegeräts

Leider war es mir für eine längere Zeit nicht möglich weiter an meinem Blog zu arbeiten. Jetzt habe ich aber doch ein interessantes Thema, welches mir zu beschreiben in den Fingern juckt.

Welcher Tinnitus-Betroffene kennt sie nicht, die schier unermessliche Anzahl an einfachen Heilsversprechungen und Wunderwerkzeugen. Fast immer wird ein hoher Preis dafür verlangt und die Wirkung in erfolgversprechenden Einzelfallberichten bestätigt.

Jetzt hatte ich die Gelegenheit mit eins dieser Wunderwerkzeuge mal selber anzuschauen, ohne dafür ins Portemonnaie greifen zu müssen.

Dabei handelte es sich um das tiex Tinnitus Therapiegerät. Man schaue sich dazu die folgende Webseite an:

http://www.tinnitus.cc/de/index.php

Verkauft wird das Gerät für 290€ oder es kann alternativ für 3 Monate zu 190€ geliehen werden.

Das tiex

Das tiex besteht aus einem Steuergerät mit Drehknopf und einem geschlossenen Kopfhörer. Der Kopfhörer scheint modifiziert zu sein, beim Einstecken in einen MP3 Player kommt kein Ton raus. Das Steuergerät wirkt hochwertig und wird über eine 9V Blockbatterie versorgt. Allerdings ist mir bekannt, dass das Gehäuse Regalware ist und nicht extra für den tiex entwickelt wurde. Bei den vermutlich eher kleinen Verkaufszahlen macht das sicherlich auch Sinn. Der Kopfhörer kann in das Steuergerät mittels Klinkenstecker gesteckt werden. Über einen Drehschalter kann das Gerät eingeschaltet werden. Dabei gibt es zwei Modi: 3,5 Hz und 6 Hz.

 

Das Gerät war die Leihgabe eines Bekannten und lag zugegebenermaßen ziemlich lang ungenutzt bei mir unter dem Schreibtisch. Meine Motivation es mal auszuprobieren hielt sich in Grenzen, wohl auch in Ermangelung einer 9V Batterie.

Bevor ich es nun zurückgeben musste, wollte ich mir jedoch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zumindest einmal das Innenleben des Wundertools zu inspizieren. Welche Technik mag sich in dem hochwertigen Gehäuse wohl verbergen?

 

Das Innenleben

Das erste was mir beim Öffnen auffiel, waren die gebrochenen Kontakte einer verbauten Spule. Mein Bekannter hatte mir schon mitgeteilt, dass man beim Benutzen des Geräts ansich nichts merkt oder hört. Vielleicht lag es daran und das Gerät war die ganze Zeit defekt gewesen?

Ansonsten ist ein sehr einfacher programmierbarer PIC Mikrocontroller verbaut, noch ein paar Widerstände und Kondensatoren und eine kleine LED (Kontroll-Lampe). Der Materialwert der Platine beträgt komplett deutlich unter 10€.

Neugierig habe ich die gebrochenen Spulenkontakte repariert und das Gerät also dann doch mal ausprobiert. Was passiert?

Die LED Lampe blinkt nach dem Einschalten in der über den Drehschalter eingestellten Frequenz.

Der PIC dient offensichtlich der Frequenzerzeugung. Der eingesteckte mitgelieferte Kopfhörer gibt jeoch keinen Mucks von sich. Man hört nichts. (naja das „Nichts“ des Tinnitus-Betroffenen eben ;))
Zum Testen habe ich nun einen regulären Kopfhörer eingesteckt und dann hört man tatsächlich ein lautes wiederkehrendes Knacken in der Frequenz der blinkenden LED Lampe.

Wenn man sich das Ausgangssignal mal anschaut, sieht man deutlich den Spannungspuls, der das Knacken erzeugt. Anscheinend wird über einen Transistor die Spule periodisch geladen und dann schlagartig über den Kopfhörerausgang entladen, was zu dem Knacken führt.

  

Was soll das Ganze?

Die Frage habe ich mich gestern noch ziemlich lange gestellt.

Die Erzeugung von periodischen Pulsen und Knackgeräuschen ist wirklich nichts Besonderes.

Weder handelt es sich um besondere komplizierte Pulsmuster, noch sind die Pulse an sich irgendwie besonders geformt, bilden einen besonderen Ton oder sind hochenergetisch. Da ist nichts dran, was einen therapeutischen Nutzen auch nur im Entferntesten vermuten lässt.

Leider konnte ich den Kopfhörer nicht öffnen, da dieser sich nicht zerstörungsfrei öffnen zu lassen scheint. Was im Kopfhörer genau verbaut wurde, kann also nur vermuten werden.

 

Was sagt die Hersteller Webseite?

„Durch die Behandlung mit dem tiex Therapiegerät werden die Nervenzellen im Innenohr und im Bereich des Hörnerven beidseitig mit einem schwachen elektrischen Wechselfeld stimuliert.“

„Der heilsam wirkende Teil des Gerätes (der sogenannte Applikator) sind zwei mit Strom durchflossene Spulen, die ein niederfrequentes elektromagnetische Wechselfeld erzeugt. (gemessen als Flußdichte: 50 µTesla +/- 10 µ Tesla).“

Vermutlich ist hier eher ein gepulstes magnetisches Feld gemeint.Die Hersteller-Webseite zeigt auch ein bearbeitetes Bild, wo eine Spule im Kopfhörer verbaut ist.
Allerdings ist das erzeugte magnetische Feld mit 50 Mikrotesla so schwach wie das Erdmagnetfeld, sodass kein Effekt möglich ist:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tesla_(Einheit):
Erdmagnetfeld in Deutschland (Größenordnung 10 Mikrotesla)“

Durch die Pulsierung des Magnetfeldes mag es auch zu einer elektromagnetischen Abstrahlung kommen, aber dieser Effekt ist mit Sicherheit ebenfalls viel zu schwach, um etwas zu bewirken.

Wir sind im Alltag andauernd stärkeren Feldern ausgesetzt, als jene die von tiex erzeugt werden.

Studienlage – Der angebliche wissenschaftliche Hintergrund

Hinsichtlich Studienlage versucht die Hersteller-Webseite zu täuschen.

http://www.tinnitus.cc/de/tiextherapiegeraet/tinnitus-studien/index.php

Sie stellt einerseits wahllos alle möglichen Studien zusammen, die nur irgendetwas mit elektrischer Stimulation des Gehörs zu tun haben. Die meisten Studien basieren aber auf völlig anderer Stimulation, wie die über Elektroden.

Interessant ist vielleicht besonders die folgende Studie, welche ein dem tiex sehr ähnliches Gerät mit dem Namen Therapak beschreibt:

http://www.tinnitus.cc/de/downloads/roland1993.pdf

Anscheinend mit tollem Resultat. Jedoch führt googeln schnell zu folgender Anschlussstudie (die natürlich nicht auf der Hersteller-Webseite verlinkt ist):

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1365-2273.1998.0135p.x/abstract

Das Resultat:
„Our study showed neither the degree of benefit nor the superiority over the placebo seen in the pilot study.“

Fazit

Ob es sich bei dem Gerät um Betrug handelt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Immerhin muss gesagt werden, dass sich der Hersteller mit dem Gerät schon eine Gewisse Mühe gegeben hat. Das Gerät hätte auch komplett ohne technische Funktion oder leer sein können. Vielleicht kam dem Hersteller auch die Idee für das Gerät basierend auf der ersten positiven Studie zum Therapak und er dachte sich, etwas Vergleichbares anzubieten.

Mit sehr viel Wohlwollen kann man den Herstellungswert auf 40€ beziffern und der Verkaufspreis von 290€ ist für mein Empfinden dagegen sehr hoch. Aber der Placeboeffekt mag es manchem Geplagten nun mal Wert sein.

Ein Gedanke zu „Test des tiex Tinnitus Therapiegeräts“

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